Der Arzt von Stalingrad by Heinz G. Konsalik

Der Arzt von Stalingrad by Heinz G. Konsalik

Autor:Heinz G. Konsalik [Konsalik, Heinz G.]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2010-09-28T04:00:00+00:00


DRITTES BUCH

In diesem Winter ereignete sich viel Neues im Lager 5110/47. Nicht nur das Lazarett wurde neu eingerichtet – auch eine Bibliothek kam aus Stalingrad, die Spielgruppe bekam Holz und Pappe für die Kulissen, und Farbe wurde von den Rubeln gekauft, die man in den Fabriken und Gruben verdiente und bei der Kommandantur gewissenhaft und mit bürokratischer Genauigkeit verbuchte. Die größte Neuerung aber war, daß von Moskau ein Schreiben kam, das den Geistlichen erlaubte, in den Lagern Gottesdienste und Bibelstunden abzuhalten.

Dr. Kresin saß bei Dr. Böhler im Zimmer und fächelte sich mit dem Schreiben aus Moskau Luft zu. Sein Gesicht war weingerötet – er hatte heute Geburtstag, und keiner wußte es.

»Es darf gewimmert werden!« sagte er laut. »Großer Gott, wir loben Dich!« Er lachte. »Man hat in Moskau noch Humor – ich habe es bis heute bezweifelt! Es darf gepredigt werden! Bibelstunden! Gottesdienste! ›Religion ist Opium für das Volk!‹ Also geben wir euch Opium, damit ihr weiter dahindämmert und die langen Jahre sich leichter aneinanderreihen, in denen ihr für uns arbeitet! Gar nicht so dumm von den Moskowiten! Wer Heimweh hat – schnell ein Pfäfflein her und die Händchen gefaltet!«

Dr. Böhler schüttelte den Kopf. »Warum reden Sie so, Dr. Kresin? Sie sind ja in Wahrheit gar nicht so. Sie glauben ja selbst an Gott!«

»Ich?!« Kresin lachte schrill. »Mein Gott ist die Flasche! Früher waren es die kleinen Mädchen – aber das ist vorbei!« Er beugte sich vor. »Wer ist eigentlich Ihr Gott, Dr. Böhler?«

»Unser aller Vater!«

»Prost! Und was hat er für Aufgaben?«

»Zu richten und zu verzeihen.«

»Bequemer alter Herr, Ihr Gott, Doktor. Im Augenblick scheint er Migräne zu haben; er hat euch Plennis ganz schön vergessen.«

»Nein. Er hat uns viel, immer geholfen in diesen Jahren. Er hat unser Leben erhalten, er hat uns ein schönes Lazarett gegeben, eine Bibliothek, Schwestern zur Hilfe …«

»Stopp!« schrie Dr. Kresin, sein Gesicht war dunkelrot. »Wiederholen Sie! Wer hat Ihnen das gegeben? Gott? Moskau hat es Ihnen gegeben! Ohne Moskau und allein mit euerem Gott wärt ihr alle verhungert und verreckt! Wer hat Ihnen das Lazarett gegeben? Ich! Euer Gott hat nichts dazu getan. Ich habe bei dem General darum gebettelt wie ein Hund!«

Dr. Böhler nickte. »Ja, Sie, Dr. Kresin … weil Sie an Gott glauben!«

»Unsinn! Weil ich Spaß an der Sache habe.«

»Und diesen Spaß – wie Sie es nennen – gab Ihnen Gott!«

Der russische Arzt sah Dr. Böhler starr an, dann atmete er schwer, drehte sich herum, verließ das Zimmer und warf krachend die Tür zu. Lächelnd beugte sich Dr. Böhler wieder über seine Papiere.

Er hatte noch nicht lange gearbeitet, als die Tür aufgerissen wurde und Terufina Tschurilowa hereinstürzte. Atemlos lehnte sie sich an den Türrahmen. In ihren Augen standen Entsetzen und wildes Grauen.

»Kommen Sie!« stieß sie hervor. »Kommen Sie! Block 12! Es ist furchtbar!«

Dr. Böhler war aufgesprungen und sah schnell aus dem Fenster. Still, verschneit, in klirrender Kälte, lag der große Platz. Nichts deutete auf ein außergewöhnliches Ereignis hin.

»Was haben Sie denn?« fragte er beruhigend. Die Tschurilowa schlug die Hände vors Gesicht und wimmerte:

»Sie haben einen umgebracht … im Block 12!«

»Was?!« Dr.



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